Heiko Schmidt, Vorsitzender des Landesschafzuchtverbandes Weser-Ems im Gespräch mit der Land & Forst (8/2015):HeikoSchmidt1

Der Wolf hat nun auch in den Landkreisen Vechta und Diepholz Schafe gerissen. Wie ist die Stimmung bei den Schafhaltern: Verzweifelt! Seit Anfang November gab es hier in der Region 21 Nutztierrisse mit Verdacht auf den Wolf. Dabei wurden fast 50 Tiere getötet und 25 verletzt. Zeitgleich diskutieren wir mit dem Landwirtschaftsministerium über Tierschutz und Tierwohl. Können Sie sich die Angstzustände, den Stress und die Qualen unserer Tiere vorstellen, die gehetzt, gewürgt, verletzt oder getötet werden? Etliche Schafe mussten eingeschläfert werden, weil sie nach Kehlbissen ein Loch in der Luftröhre hatten und qualvoll verendet wären.

Was erwarten Sie vom Land? Wir fordern, die Förderkulisse kurzfristig auf ganz Niedersachsen auszudehnen. Außerdem sollten Ausgleichszahlungen für gerissene Nutztiere schnell - nach Vorliegen des Gutachtens des Wolfsberaters - an die Tierhalter erfolgen.

Die Richtlinie Wolf trat Ende 2014 in Kraft. Was änderte sich dadurch? Wenn unsere Gesellschaft den Wolf will, ohne den wir seit über 150 Jahren gut ausgekommen sind, dann muss ein finanzieller Ausgleich bei Nutztieren geschaffen werden. Außerdem sind Kosten und Aufwendungen für besondere Schutzmaßnahmen finanziell zu unterstützen. Diese sogenannten Billigkeitsleistungen stellen aber nur einen kleinen Teil der wirtschaftlichen Nachteile der Schafhalter dar. Im Landkreis Vechta sind jetzt vorzeitig viele Schafe aufgestallt worden. Die Stallhaltung bedeutet höhere Kosten für Futter ud Einstreu und einen deutlich höheren Betreuungsaufwand. Da pro Mutterschaf und Jahr nur etwa ein Lamm vermarktet werden kann, könnnen sich Schafhalter eine verlängerte Stallperiode gar nicht leisten. Schafe, die einen Wolfsangriff überleben, sind verstört und scheu. Ein normaler Umgang - Umtrieb, Klauenpflege, Schur, Parasitenbehandlung - ist häufig erst nach Wochen wieder möglich. Dadurch wird der Betreuungsaufwand nochmals erhöht, und gute Leistungen hinsichlich täglicher Zunahme und Milchleistung sind von gestressten Tieren dann auch nicht zu erwarten.

Könnte eine von Politikern geforderte schnelle Eingreiftruppe, die "Task Force Herdenschutz" etwas bewirken? Der Gedanke der schnellen Eingreiftruppe ist sicherlich gut gemeint und mag im Einzelfall sinnvoll sein, um Schaf- oder Rinderweiden wolfssicher einzuzäunen. Aber die Schafhaltung ist gerade im Weser-Ems-Gebiet kleinstrukturiert. Häfuig werden nur Restflächen, Streuobstwiesen und kleine Naturschutzflächen beweidet. So hat ein jetzt vom Wolf betroffener Betrieb aus Vechta im Sommer seine 150 Tiere auf über 20 verschiedenen Gründlandflächen stehen. Viele werden nur kurz beweidet, dann wird umgesetzt. Das dauert mit einem speziellen Schutzzaun alles viel länger als bei herkömmlichen Elektonetzen.

Kann der Wolf ruhig kommen und die Schafhaltung trotzdem bleiben? Die Schafhaltung ist mit ihrer extensiven Gründlandbewirtschaftung und der Pflegebeweidung empfindlicher Biotope ein geradezu ökologischer Betriebszweig der Landwirtschaft. Wir sind mit unseren seltenen Nutztierrassen in der Landschafts- und Biotoppflege der Garant für den Erhalt der Biodiversität. Viele wertvolle Zuchtbetriebe haben kleine Schafbestände im Nebenerwerb und in der Hobbytierhaltung. Auch wenn die Anschaffung von Zäunen und Herdenschutzhunden zu 80% gefördert werden, wären viele Landschaftspflegebetriebe mit den Mehrkosten überlastet. Wenn diese Betriebe aufgeben, hat die Ausbreitung des Wolfes besonders für die ökologisch wertvollen Kulturlandschaften katastrophale Folgen. Dann gibt es vielleicht eine neue Wildtierart, aber dafür opfert man viele andere Arten unserer Kultulandschaft. Deshalb lehnen wir die ungehinderte Ausbreitung des Wolfes ab. Interview: Jan-Gerd Ahlers